Die Tage werden kürzer, die Nächte länger. Als Jahreszeit des Übergangs nutzen wir den Herbst, um uns auf den kommenden Winter vorzubereiten. So auch wir im archeoParc. Unsere Kollegen Sara Weithaler und Stefan Tappeiner haben sich sich darüber unterhalten, wie das Haltbarmachen von Nahrungsmitteln zu Ötzis Zeiten funktioniert haben könnte. Ein Gespräch über das Konservieren in der Steinzeit und heute.
Sara: Hallo Stefan, der Winter steht vor der Tür und wir im archeoParc bereiten uns so langsam auf die kalten Monate vor. Das sind bei uns hauptsächlich organisatorische Dinge, wir bringen – solang noch kein Schnee liegt – den Außenbereich auf Vordermann, wir führen Reparaturen durch, usw. Ötzi hatte da wahrscheinlich keine so ausgeprägte Routine. Was meinst du?
Stefan: Würd ich auch so sagen. Bei uns heißt Winter meist der Rückzug ins Hausinnere. Wie das wohl bei Ötzi war? Hat man sich auch damals, wenn die Natur karger wurde, ins Innere verkrochen?
Sara: Wir müssen uns heute ja kaum mehr Gedanken um die Nahrungsmittelversorgung im Winter machen. Das war in der Zeit von Ötzi nicht so. Wie stellst du dir das damals vor? Wie könnte sich Ötzi auf die kalte Jahreszeit vorbereitet haben?
Hat Ötzi Nahrungsmittel fermentiert?
Stefan: Da hast du recht, Sara, das Haltbarmachen von Lebensmitteln ist für viele Menschen heute kein Thema mehr. Die meisten von uns kaufen im Supermarkt ein oder greifen in den Kühlschrank oder in das Gefrierfach. Ötzi mußte auf andere Methoden zum Haltbar-Machen von Lebensmitteln zurückgreifen. Mir fallen Techniken wie Fermentieren, Trocknen, Räuchern, Tiefkühlen oder Einsalzen ein.
Sara: Das Fermentieren ist auf der ganzen Welt verbreitet. Und heute weiß man, dass die Fermentation bereits vor der Sesshaftwerdung zur Konservierung verwendet wurde. Interessanterweise war das Fermentieren gerade für nicht-sesshafte Gruppen wichtig. Man konnte mit Fermentiertem zwischenzeitliche Nahrungsengpässe überbrücken.
Wenn ich ans Fermentieren denke, fallen mir sofort fermentierter Kohl aus Korea oder die Nattō-Bohnen aus Japan ein. Welche Nahrungsmittel könnte Ötzi fermentiert haben?
Stefan: Ötzi hat gewiss auf die Nahrungsmittel zurückgegriffen, die es damals im alpinen Raum gab. Also z.B. im Allgemeinen auf Getreide wie Gerste oder Einkorn. Beide sind bei ihm gefunden worden. Sie ließen sich gewiss bereits damals sehr gut zu einem Porridge-ähnlichen Brei fermentieren. Aber, warum denken wir nicht auch an Rüben oder so? Oder ein bierähnliches Getränk?
Milch & Co. war für Ötzi frisch kaum verdaulich
Sara: Die Sesshaftigkeit der ersten Bauern hat in puncto Nahrungsmittelaufnahme ja einige Vorteile mit sich gebracht – vor allem in der kalten Jahreszeit! Zu Frischmilch zu gelangen war nun kaum ein Problem mehr, weil die Tiere, wie Ziegen und Schafe, einfach in Siedlungsnähe gehalten wurden.
Stefan: Aber Achtung, ob diese Milch damals frisch getrunken wurde? Viel eher können wir wohl davon ausgehen, dass sie weiterverarbeitet wurde. Sie war dadurch nicht nur lagerfähiger, sondern auch verdaulicher.
Sara: Stimmt, die ersten Bauern waren ja noch nicht in der Lage, so große Mengen an Milch zu verdauen. Die Verdaufähigkeit von frischer Milch hat sich in Zentraleuropa erst über die Jahrtausende entwickelt. Heute können die meisten Menschen bei uns Milchprodukte und die darin enthaltene Laktose gut verdauen.
Fleisch konservieren zur Zeit von Ötzi
Sara: Wir gehen heute davon aus, dass Ötzi zwar durch das Schnalstal auf das Tisenjoch gewandert ist, aber wahrscheinlich aus einer niederen Höhenlage kam, vielleicht aus dem unteren Vinschgau. Ihn und seine Zeitgenossen hat es wohl hauptsächlich aus Jagd- und Viehweide-Gründen in das heutige Schnalstal verschlagen.
Stefan: Wenn wir da über Nahrung reden, fällt mir natürlich sofort das Dörrfleisch ein, das in Ötzis Magen gefunden wurde. Wie der Name schon verrät, wurde dies durch das Dörren haltbar gemacht.
Sara: Südtirol ist heute unter anderem für ein Fleischprodukt bekannt, den Speck. Könnte man Ötzis Dörrfleisch als eine Art Vorstufe zum heutigen Speck sehen?
Stefan: Warum nicht? Dörrfleisch oder, wie man auch dazu sagt, Trockenfleisch gibt es auf der ganzen Welt. Denk mal an das Bündnerfleisch, an Biltong, Pemmikan, Jerky, an die Bresaola oder die verschiedenen oberitalienischen Rohschinkenspezialitäten. Bei den meisten wird dem Fleisch zunächst mit Hilfe von Salz Wasser entzogen und dann wird es zum Trocknen aufgehängt. Manche werden auch noch geräuchert. Das ist z.B. bei unserem Speck der Fall, er wird gesalzen und gewürzt, kalt geräuchert und dann luftgetrocknet.
Ötzi könnte das ähnlich gemacht haben. Schwer vorzustellbar ist allerdings, dass ihm größere Mengen an Salz zur Verfügung standen. Vielleicht hat er sich mit Asche beholfen oder mit einem Feuer. Man kann dünn geschnittene Fleischstücke wunderbar ohne Salz trocknen. Auch ohne Rauch. Salz und Rauch sorgen hauptsächlich dafür, Vorratsschädlinge während der Trocknungsphase fern zu halten. Das ist vorallem dann wichtig, wenn es warm ist. In unserer Gegend hatte man zu Ötzis Zeiten während der kalten Jahreszeit gewiss keine Probleme, Vorratsschädlinge von seinem Fleisch fernzuhalten. Bei uns zeigt das Thermometer heute acht Grad unter Null, das war auch bei Ötzi nicht anders.
Vielleicht waren unter anderem deshalb schon damals die späten Herbst- und frühen Wintermonate die bevorzugten Jagd- und Schlachtmonate. Man konnte sich einen Vorrat für die karge Jahreszeit anlegen, wenn es dann nicht mehr so einfach war, auf die Jagd zu gehen. Und man konnte das Fleisch konservieren ohne dafür großen Aufwand zu betreiben.
Kannte Ötzi getrockneten Fisch?
Sara: Ähnlich wie das Fleischtrocknen stelle ich mir das auch das Trocknen von Fisch im Neolithikum, in der Zeit von Ötzi, vor. Was fällt dir dazu ein?
Stefan: Das Räuchern und Trocknen von Fisch funktioniert im Prinzip gleich wie das Trocknen von Fleisch. Es ist in unserer Gegend nicht so verbreitet, aber Trockenfisch wird weltweit vielerorts hergestellt. Bei uns kennt man z.B. Trockenfisch aus Nordeuropa, den Stockfisch oder den Baccalà. Gut möglich, dass auch Ötzi getrockneten Fisch kannte, gefunden hat man bei ihm direkt keinen Beleg dafür. Bei uns im Freilichtbereich erzählt der nachgebaute Räucherofen vom Fisch-Räuchern. Manchmal zeigen wir in Vorführungen, wie der Ofen funktioniert. Man kann hier Fleisch oder Fisch trocknen oder heiß räuchern, also garen. Wie in einem einem Barbecue-Smoker. Aber da kommen wir von unserem Thema ab.
Sara: Die meisten dieser Praktiken reichen also weit in die Geschichte zurück. Dass sie sich bis heute gehalten haben und auf die eine oder andere Weise überall auf der Welt zu finden sind, bezeugt, dass sie funktional und wichtig für uns sind, findest du nicht?
Stefan: Da hast du recht! Je genauer man sich mit der Lebensweise Ötzis und seiner Zeitgenossen befasst, desto mehr lassen sich deren Spuren in der heutigen Zeit erkennen. Fast wie eine Schnitzeljagd…
Sara: …auf neolithisch.
Eine Mahlzeit wie vor 5.300 Jahren
Wie stellt ihr euch eine Mahlzeit zu Ötzis Zeiten vor? Saftig oder trocken? Abwechslungsreich oder eher fad?
Der amerikanische Koch und You Tuber Max Miller hat sich genau diese Fragen gestellt und auf seinem YouTube-Kanal „Tasting History with Max Miller“ die letzte Mahlzeit Ötzis nachgekocht. Viel Spaß mit seinem Video:
Wärt ihr den Herausforderungen des Neolithikums gewachsen? Seid ihr bereit, euer Können unter Beweis zu stellen?
Schreibt uns an info@archeoparc.it. Wir freuen uns!
Bei uns im archeoParc finden übrigens immer wieder spannende Vorführungen und Mitmachaktionen zu Ötzis Lebensweise und seinem Alltag statt. Schaut doch mal bei unseren Veranstaltungen vorbei oder bucht für eure Gruppe einen Erlebnistag und wir kochen gemeinsam am Lagerfeuer.