der-letzte-pfeil-rezension

  • Beitrags-Kategorie:Staff posts

Literatur rund um Ötzi

Unsere Mitarbeiterin Gabriele Niedermair hat den Roman „Der letzte Pfeil“ von Frank Schlößer, erschienen 2016 im Emons-Verlag, Probe gelesen. Hier ihr Fazit:

Seit Frühjahr 2016 ist die Literatur im deutschen Sprachraum rund um den Mann aus dem Eis um einen Roman (nicht um ein Sachbuch!) reicher. Das trifft sich gut, feiert man doch heuer das 25jährige Jubiläum des Fundes der Gletschermumie. „Der letzte Pfeil!“ das ruf ich auch oft als Besucherführerin beim Bogenschießen mit den Langbögen. Allerdings will ich damit sagen, dass entweder die Versuchs-Runde beendet ist, oder dass es das baldige Signal zum Einsammeln der Pfeile für den nächsten Durchgang bedeutet. Frank Schlößers Buchtitel ist allerdings anders gemeint. Dieser 240 Seiten dicke, spannende Roman, – und es ist eher ein Vorzeit-Roman als ein knallharter Thriller – wird aus der Sicht von Ötzis Mörder erzählt, der weniger zum Einsammeln der Pfeile aufruft, als seinem letzten verschossenen Pfeil nachweint, dessen kostbare Silexpfeilspitze auf ewig in der Schulter des Gletschermannes stecken wird. Gleich zu Beginn wird der Leserin klipp und klar berichtet, was sich am Tisenjoch zugetragen hat. Der von ihm verhasste und zugleich bewunderte Tote, später die Gletschermumie, wird als Schmied benannt. Eine durchaus gängige Interpretation dieser geheimnisvollen Persönlichkeit aus der Kupferzeit. Der Autor geht damit der These nach, Ötzi sei ein Schmied und eine angesehene Person gewesen, die – im Roman – Streit und Verderben mitbrachte. Mit in den Krimi eingeflochten sind viele Details, wie z.B. die Einführung des begehrten „Sonnensteins“, den der fremde Schmied schon kennt, in die Talsippe, die Macht und Rituale der Schamanen und der keulenschwingenden Zauberin, den Austausch der Waren und Naturalien. … Was uns verborgen ist, ersetzt Frank Schlößer durch die Fiktion und Fantasie; so auch den Wortschatz, der bei den Sippen gebräuchlich ist, das Ritual des Honigfestes oder Jagd- und Schutzzauber.
Mit dem Auftauchen des neuen Materials Kupfer am Ende der Jungsteinzeit kam viel Konfliktpotential in die Gesellschaft. Das zeigt sich auch im Roman und wie so oft „menschelt“ es hier natürlich wie im richtigen (neuzeitlichen) Krimi. Neid, Machtkämpfe, Missgunst, Betrug, Rache, Vertrauensbruch und Manipulierung gab es also mindestens schon vor 5300 Jahren.  Aber auch Familiensinn, soziale Fürsorge, Mitleid, Glaube, Liebe und Trauer sind weit älter als 2000 Jahre.

Wer Lust hat, sich auf ein Urzeit-Spektakel einzulassen und der Frage nach Ötzis Persönlichkeit und dem Mordmotiv nachzuspüren, dem sei dieser neue Vorzeitroman empfohlen.